300 Jahre Schäferlauf in Bad Urach

Bad Urach, Marktplatz
2023

Das Schäferlauf-Denkmal


Der Schäfertanz hat, wie andernorts der Hammeltanz, seine Wurzeln in einem uralten heidnischen Brauch.
Die Schäferei galt jahrhundertelang als „unehrliches Gewerbe“, das Stehen auf der Weide als faul und untätig, den Schäfern waren die Gemeinderechte verwehrt, und die Schäfer durften nicht in andere Gesellschaftskreise einheiraten.
Zudem brachte sie die Kenntnis von Heilkräutern als Zaubermittel in Verruf.
Zahlreiche Schäfer schlossen sich im 14.Jahrhundert zu einer religiösen Bruderschaft zusammen und versammelten sich einmal im Jahr nach Bartholomäi zum Schäfertag in Rothenburg.
Nach einem zeremoniellen Kirchgang durften sie einen Ehrentanz, damals eher eine Art Umzug, in der Stadt abhalten, der offenbar jedesmal total ausartete.
Pfarrer Martin Cleß schilderte dies so:
„ An solchen Tagen kommen fast alle Schäfer im Land...sie saufen sich toll und voll, tanzen und springen, schreien und brüllen und schlagen einand manchmal gewaltig um die Köpff. Woher diese Gewohnheit eigentlich entsprungen, kann ich nit erfahrn, bild mir aber ein, sie müßt noch von den Heiden und ihrem Abgott Pan herkommen.“
Im Mittelalter gehörten grotesk-komische Lauf- und Kraftspiele zur Belustigung.
Sackhüpfen, Fressen durch Mus und Brei, Eierlaufen oder Klettern auf eingeseiften Stangen verlangten von den Teilnehmenden Selbstüberwindung und sorgten beim Publikum für Lachkrämpfe.
Die unfreiwillige Entblößung hat wohl zur Beliebtheit dieser rohen Spiele beigetragen.
So entwickelte sich im 16.Jahrhundert aus dem Schäfertanz der Schäferlauf.
Unverheiratete Jungschäfer mussten barfuß und ohne Hosen über ein Stoppelfeld um die Wette laufen.
Der Sieger wurde zum Schäferkönig gekrönt.
Der Chronist Jakob Frischlin beschrieb den „alten Brauch“, das ihm heidnisch und wollüstig
erscheinende Festtreiben und den Wettlauf übers Stoppelfeld im Jahre 1593:
„Darnach wann dieser Dantz vergangen, die Schäffer zu lauffen anfangen,
ziehen sich bis auffs Hemmet aus, es würdt offt ein groß Lachen draus
[...],durch Stupflen Feld mit blossem Fueß, ein jeder Schäffer lauffen mueß
.“
[
Im Jahr 1600 war der Schäfertanz sogar Thema eines Skriptes der Synode.
Man wies darauf hin, dass „bay den Schäffer-Täntzen (...)sonderlich alle Leichtfertigkeit und
schandbare Entblössung gänzlich abzustellen sei “
Die Aktion war vergeblich, zu groß war wohl die Gaudi für das Volk.
Immer mehr Städte entdeckten den „Schäferlauf“ für sich und erkannten den kommerziellen Wert für die Gemeinden. 1723 folgte Bad-Urach. Das anarchische Spektakel wurde im Laufe der Zeit entschärft und sittsam mit bunten Trachten nach festen Spielregeln als großes Volksfest gefeiert.
Als olympische Disziplin wurde der Unten-Ohne-Wettlauf leider nicht angenommen.
Aber ein Denkmal ist er wert!

Quellen:
-Hartmut Heller: Zur Luxurierung der Historienspiele in Dinkelsbühl und Rothenburg o.d.T. (Universität Würzburg)
-Wikipedia „Pan“ (Mythologie)
-Wikipedia „Schäferlauf“
-K.F. Flögel-Bauer: Geschichte des Grotesk-Komischen/ zweiter Band“

P. L.

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